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Über Infrastruktur sprechen, heißt über Gesellschaft sprechen

Gabriele Wittendorfer

Wer heute das Ziel „widerstandsfähige Infrastruktur, nachhaltige Industrialisierung und Innovation“ auslobt, kann dies nicht tun ohne den blinden Fleck der bisherigen Industrialisierung zu thematisieren: das sozio-ökologische Desaster, das durch die Externalisierung von Kosten und vor allem Risiken entstanden ist.

Auf der Suche nach Beispielen, bei denen dieser blinde Fleck offensichtlich wird, landen wir im barcamp direkt vor unserer Haustüre und den Parkplätzen im öffentlichen Raum. Laut Schätzung existieren in Westeuropa etwa 300 Millionen öffentliche Parkplätze. Davon sind über 80 Prozent im öffentlichen Raum.* Hier handelt es sich um ein Phänomen absoluter Ressourcenverschwendung (im Durchschnitt steht ein Fahrzeug 95% der Zeit*), verbunden mit einer gigantischen Subvention (nur 23% der Kosten werden durch die Benutzer ausgeglichen, während 77% der Parkraumkosten von der öffentlichen Hand getragen werden*). Was also ist die sozioLOGIK hinter diesem Relikt?

Öffentlicher Raum als Transitzone

Seitdem die Menschheit sesshaft wurde, nimmt die funktionale Ausdifferenzierung der Räume zu. In der industriellen Logik mit ihrer Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte wurden große Teile des öffentlichen Raums zum Weg degradiert. Mit dem remote workplace kann sich dieses jahrzehntelang unhinterfragte Paradigma verändern.

Primat des motorisierten Individualverkehrs

Das Auto (es heißt nicht ohne Grund „Volkswagen“) steht vor allem in Deutschland wie kein anderes Gut für das Wohlstandsversprechen der Industriegesellschaft im 20. Jahrhundert. Der Umstieg vom Verbrenner zum Elektro-Kfz ist vor diesem Hintergrund auch der Versuch, an diesem Versprechen festzuhalten.

Auto als Statussymbol

Menschliche Gemeinschaften sind charakterisiert durch Rollen, die meist hierarchisch angeordnet sind und durch Symbole repräsentiert werden. Die Königin erkennt man an der Krone, das It-Girl an den Promis, mit denen sie sich publiziert. Repräsentation funktioniert aber auch andersherum, d.h. wer eine Krone trägt, muss wohl die Königin sein. Spätestens mit der Erfindung des Kfz-Leasings gilt: „Autos machen Leute“.

Wenn wir von Transformation sprechen – und das SDG9 kann vor den bekannten Nebenfolgen der westlichen Industriegesellschaft nur mit einer solchen erreicht werden – geht es auch darum, das sozioLOGISCHE Wozu hinter dem bisherigen Status Quo zu hinterfragen.

Zurückkommend zum Parkplatz-Beispiel:

Zur Klarstellung: Es ging in diesem barcamp NICHT um die Verteufelung des Automobils. An diesem Objekt lässt sich allerdings sehr gut zeigen und spüren, worum es eigentlich geht, wenn wir über „widerstandsfähige Infrastruktur, nachhaltige Industrialisierung und Innovation“ sprechen. Hier müssen nicht nur Breitbandkabel verlegt, Wind- und Solarparks gebaut und Subventionen umgeschichtet, sondern die Industriegesellschaften, wie wir sie kennen, neu ausgerichtet und umgebaut werden. Dazu braucht es auch die sozioLOGISCHE Perspektive.

 

* Quelle: Martin Randelhoff schaut sich das Thema Mobilität auf seiner Homepage „Zukunft Mobilität“ sehr facetten- und faktenreich an https://www.zukunft-mobilitaet.net/13615/strassenverkehr/parkraum-abloesebetrag-parkgebuehr-23-stunden/

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